Bewegendes Erlebnis

Aufführung der „Freitagabend-Liturgie“ von Heinrich Schalit und jüdischer Blechbläsermusik

Sang in zwei Stimmlagen: Paul Yuval Adam (rechts). Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. Mit der Aufführung der jüdischen „Freitagabend-Liturgie“ von Heinrich Schalit erlebten rund 160 Menschen am vergangenen Sonntagabend einen ebenso anrührenden wie hochklassigen musikalischen Abend in der Gütersloher Martin-Luther-Kirche. Etliche kamen direkt vom Synagogengedenkstein an der Feldstraße.

 

Die Gesamtleitung hatte KMD Johannes Vetter. Der Kreiskantor rief Ereignisse in Erinnerung, die den 9. November bleibend geprägt haben: Mit Ende der Monarchie (1918), Reichsprogromnacht (1938) und Fall der Berliner Mauer (1989) sei er ein „dreifachen Gedenktag, der wie kein anderer Glanz und Elend der deutschen Geschichte wiederspiegelt.“ Im Wechsel mit KMD Sigmund Bothmann sang Vetter Psalm 90. Dessen Thema: Der vergängliche Mensch sucht Zuflucht bei Gott.

 

Der jüdische Komponist Heinrich Schalit (1886-1976) stammt aus Wien. Ab 1927 arbeitete er an der Münchener Synagoge, nach der Machtübernehme der Nationalsozialisten wechselte er 1933 an die Synagoge in Rom und emigrierte 1940 in die USA.

 

In hebräischer Sprache intonierte ein Projektchor des Evangelischen Kirchenkreises gemeinsam mit Paul Yuval Adam Schalits jüdische Liturgie zur Begrüßung des Sabbats. Als Kantor und Vorbeter der jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld verfügt Adam über die seltene Fähigkeit, in zwei Stimmlagen zu singen (Bariton und Altus). Mit stiller Konzentration lauschte das Publikum den klaren Gesängen – darunter Psalmen, die auch in christlichen Gottesdiensten ihren Platz haben. Das gesungene Gotteslob begleitete Adrian Büttemeier kongenial an der Orgel.

 

Zwischen den drei Teilen der Liturgie setzte das Blechbläserensemble ZION unter Leitung von Joachim von Habeler einen musikalischen Kontrapunkt. Sie präsentierten originale jüdische Blechbläsermusik von Joseph Horovitz (geb. 1926), Karol Rathaus (1895-1954) und Heinz Herschmann (1924-2014).

 

Als die Stimmen verklungen waren und der letzte brausende Orgelton verebbte, erhoben sich erst wenige, dann immer mehr begeisterte Menschen von den Kirchenbänken. Stehend spendeten sie reichlich Applaus. „Ausgerechnet an diesem Tag das ‚Schema Jisrael‘ in einer Kirche zu hören, das ging mir richtig nahe“, sagte eine sichtlich bewegte Besucherin. „Das war großartig“, so das Fazit eines anderen.

kj