Claudia Procula – die Frau des Pilatus

EnsembleTheatrum zu Gast in der Wiedenbrücker Kreuzkirche

Friederike von Krosigk (l.), Hannah Vongries (im Hintergrund), Hubertus von Krosigk und Thomas Zieler vom EnsembleTheatrum inszenierten mit prägnanten, aber zurückgenommenen Mitteln dichte Szenen und Bilder. Foto: CG

WIEDENBRÜCK – Es war ein sehr eindringliches Passionsgeschehen, das Friederike von Krosigk, Hannah Vongries, Hubertus von Krosigk und Thomas Zieler vom EnsembleTheatrum in der Wiedenbrücker Kreuzkirche in 14 Szenen und Bilder setzten. Etliche Passagen aus der Passionsgeschichte, verwoben mit Lyrik von Rainer Maria Rilke, mehrstimmigem A-capella-Gesang, beeindruckenden Bühnenbildern und effektvoller Lichttechnik, schafften die vier Protagonisten eine teils atemberaubende Dichte.

Das künstlerische Zuhause dieser kreativen Theatertruppe ist das Schloss Hohenerxleben im sächsisch-anhaltinischen Straßfurt, südlich von Magdeburg. Dort ist auch dieses beeindruckende Gesamtkunstwerk „Claudia Procula“ entstanden. Verwirrend und damit für neue Sehweisen aufgebrochen die scheinbar bekannte Geschichte der Passion Jesu: Aus dem Blickwinkel der Ehefrau des Statthalters von Jerusalem, Pontius Pilatus, der Seherin Claudia Procula. Schon das erste Bild entführt in den Tempel der Isis, deren Priesterin Claudia mit Rat zur Seite steht. Bei einem anderen Tempel-Besuch trifft Claudia auf einen Juden namens Jeschua. Eine sehr bewegende Begegnung, die Claudia bis in ihre Träume verfolgen sollte.

Nach einer Passage aus Rilkes „Christus Vision“ und einer Erzählung der Hauptakteurin von einem „Traum, der alles überstieg“, kommt es zur bekannten Verurteilungsszene Jesu vor Pilatus. Jeschua vergibt seinem Richter, Pilatus ist zerrissen und wütet über diese unverständlichen Juden. Im achten Bild erkennt Claudia, dass ihr Traum bereits wahr wird und schreibt Pilatus einen warnenden Brief, den dieser verwirft. „Wir sehen die Anderen nie so, wie sie wirklich sind“, quält sich der Statthalter mit dem Prozess und versucht sich gleichzeitig zu besänftigen, indem er „nur einen Gefangenen sieht, den er verurteilen sollte.“ Jeschua spricht davon, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei und dass er von der Wahrheit predige.

Wieder zuhause bringt Pilatus seiner Frau einen Kelch. Sie erkennt ihn aus dem Traum wieder und folgt Jeschua zur Kreuzigung. Im zwölften Bild „Die Augen des Fremden sind ihr nicht fremd“ verweben sich erneut Passagen aus Rilkes Christus-Vision „Der Narr“ mit der biblischen Erzählung. In der Schlussszene „Fürchte dich nicht“ beschreibt Claudia erneut einen Traum von Jeschua und trifft ihren Mann wieder.

Die Einbettung in den religionsgeschichtlichen Kontext zwischen monotheistischem Judentum und einem oppulent gefüllten hellenistisch-römischen Götterpantheon sowie dem Wissen, dass gerade Frauen im gesamten Imperium dem Isis-Kult huldigten, taucht vieles in spektrale Farben und lässt die visionäre Botschaft Jesu noch deutlicher strahlen.

Ein beeindruckendes Experiment, das nach 75 Minuten einen großartigen Applaus aus einer gut gefüllten Kreuzkirche erntete. Eine Türkollekte am Ausgang wurde zu Gunsten der Gemeindestiftung „Via Nova“ eingesammelt.         (CG)