Bielefeld. Kirche und Gesellschaft seien auf je ihre Weise zuallererst dem Leben und der Würde jedes einzelnen Menschen verpflichtet. Das erklärte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) Annette Kurschus in ihrem Bericht zu Beginn der westfälischen Landessynode in Bielefeld.
In Bezug auf die Diskussion um die Möglichkeit eines assistierten Suizids machte Annette Kurschus deutlich, ein Suizid dürfe aus ihrer Sicht niemals eine rechtlich, ethisch und gesellschaftlich gleichwertige alternative Option zum Leben sein. In diesem Zusammenhang stellte die Präses den Freiheitsbegriff in Frage, der in der Diskussion häufig mit dem Suizidgedanken in Beziehung gesetzt werde. „Ich bezweifle, dass die Tragik und die Not, die Leere und die Verzweiflung, die einen Menschen zu dem tiefen Wunsch bringen, aus dem Leben zu gehen, sich tatsächlich unter die schöne und große Überschrift der Freiheit stellen lassen“, sagte Annette Kurschus in ihrem Synodenbericht. „In seiner Not, nicht mehr leben zu wollen oder zu können, ist der Mensch wohl allermeist auch zutiefst unfrei.“
Gleichwohl müsse man sich in der evangelischen Kirche in den Fragen der Suizidassistenz aufs Neue orientieren und positionieren. Dies insbesondere, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert habe, eine Neuregelung zu dem sensiblen Themenbereich zu schaffen.
Neben dem Primat des Lebens gelte für die evangelische Kirche aus ihrer Sicht auch, den Wunsch, dem eigenen Leben in besonders belastender Lage ein Ende zu setzen, nicht zu bewerten: „Wer in Situationen größten Leids und anhaltender Ausweglosigkeit sein Leben beenden will; wer sich – nach Prüfung des Gewissens vor Gott – dazu entschließt, einem anderen bei dessen Suizid beizustehen, soll nicht die Verurteilung der Kirche oder der Glaubenden fürchten müssen“, stellte Kurschus klar.
Wie auch in anderen wichtigen gesellschaftlichen Themen, etwa in Fragen der Friedensethik, seien auch hier die Argumente und die Lebens- und Sterbesituationen weitaus vielschichtiger, als dass sie sich in eine einfache Ja-Nein-Alternative fügen ließen, erläuterte die Leitende Theologin. Und so hätten auch diakonische Einrichtungen ihre Entscheidungen über ihren Umgang mit der Fragestellung in dem doppelten Horizont zu wagen: „Mit einer klaren und unverhandelbaren Option für das Leben – und zugleich mit viel Feingefühl, liebevoller Wahrhaftigkeit und ehrlicher menschlicher Fürsorge im Blick auf die vielen Schwellen- und Grenzbereiche, die unwägbaren und hoch empfindlichen Ausnahmesituationen des Lebens.“ (ekvw)
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