Denker, Mahner, Aufklärer und Dokumentator

Nachruf auf Pfarrer Dr. Helmut Gatzen

KIRCHENKREIS GÜTERSLOH – Pfarrer Dr. Helmut Gatzen, der langjährige Schulreferent der Evangelischen Kirchenkreise Gütersloh und Halle, verstarb nach kurzer Krankheit am 3. Juni 2018 im Alter von 84 Jahren. 19 Jahre lang führte er Fortbildungen für Religionslehrerinnen und Religionslehrer aller Schulformen durch, unterstützte Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrer religionspädagogischen Arbeit und gab selbst Religionsunterricht am Städtischen Gymnasium Gütersloh. Zwei Themen begleiteten ihn während seines Berufslebens und darüber hinaus: der Zusammenhang von Berufung und Beruf bei Martin Luther und in der Moderne (Promotion darüber im Jahr 1963) und die Entstehung des Nationalsozialismus sowie das Schicksal und die Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens. Hier beleuchtete er bis zuletzt Ursachen und Hintergründe und erforschte vor allem das Schicksal Gütersloher Juden bis in die Konzentrationslager der NS-Zeit. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes am Band (2004).

Helmut Gatzen wurde am 25. August 1933 in Mühlhausen/Thüringen geboren. Als er 17 Jahre alt war, siedelte seine Familie von Naumburg/Saale nach Bielefeld über, wo er im Februar 1953 am humanistischen staatlich-städtischen Gymnasium das Abitur machte. Danach studierte er Evangelische Theologie in Bethel, Heidelberg, Bonn und Münster. Nach dem ersten Theologischen Examen wurde er Vikar in Hamm und unterrichtete dort an der Berufsschule. Im Oktober 1961 wurde Helmut Gatzen in der Pankratiuskirche zu Hamm-Mark ordiniert. In dieser Zeit beschäftigte sich der Pfarrer intensiv mit der Theologie Martin Luthers und dessen Berufsverständnis. Ende 1964 promovierte er zum Doktor der Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster. Seine Dissertation trägt den Titel „Beruf bei Martin Luther und in der industriellen Gesellschaft“.
Im Jahr 1970 wurde Helmut Gatzen Studienleiter an der Evangelischen Akademie Bad Boll. Im Januar 1978 kehrte er mit seiner inzwischen gegründeten Familie nach Westfalen zurück und übernahm die Stelle des Schulreferenten für Religionspädagogik der Kirchenkreise Gütersloh und Halle. Er war für Lehrerinnen und Lehrer da, denen er Anregungen für eine zeitgemäße Vermittlung von Glaubensinhalten gab. Er selbst unterrichtete am Städtischen Gymnasium. Von 1989 bis 1998 organisierte Helmut Gatzen Begegnungstagungen zwischen Lehrerinnen und Lehrern aus beiden Teilen Deutschlands in Wanfried an Grenze zwischen Thüringen und Hessen. Hier ging es um theologische und politische Themen, unter anderem diskutierten die Teilnehmenden immer wieder auch die Spannung zwischen Beruf und Berufung.
Nicht erst seit Beginn seines Ruhestands am 31. Juli 1997 beschäftigte sich Helmut Gatzen mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Gütersloh. Zwischen 1993 und 2015 veröffentlichte er mehrere Bücher über den NS-Terror, das November-Pogrom 1938 in Gütersloh sowie die Verschleppungsgeschichten Gütersloher Familien in die Konzentrationslager und deren Ermordungen. Er empfand es als eine wichtige Aufgabe, die NS-Ideologie und ihre Folgen zu dokumentieren und darüber aufzuklären. In seinen Publikationen ging er unter anderem der Frage nach, warum Christen, Bürger, sogar Feuerwehrleute und Polizisten jüdischen Mitbürgern nicht halfen, sondern dabei zusahen, als deren Synagogen und Häuser angezündet und die Nachbarn verschleppt wurden. In seinem letzten Buch, erschienen 2015, rollte er erneut die Vorgeschichte Hitlers und seinen geplanten Weg an die Macht auf.
Helmut Gatzen hinterlässt seine Ehefrau Margarethe, mit der er fast 53 Jahre lang verheiratet war, seine Kinder Anne, Christian und Katharina sowie sechs Enkelkinder. Die Taufe des jüngsten Enkelkindes am Pfingstsonntag konnte er noch miterleben. Am 3. Juni ging Dr. Helmut Gatzen in die Ewigkeit ein. Er wäre am 25. August 85 Jahre alt geworden.      (fra)