„Ein königliches Konzert“

Förderverein Historische Kirchen: Konzert zum 1 200. Todestag Karls des Großen

Katrin Krauß, Annette John und Tanja Ofterdinger (v.l.) spielten Musik aus Mittelalter, Renaissance und Barock. Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. „Frouwentränen“ – unter diesem Titel widmete der Förderverein Historische Kirchen im Stadtzentrum Gütersloh e.V. Karl dem Großen zu seinem 1.200. Todestag einen Abend in der Apostelkirche. Das „Trio Viaggio“ entführte sein Publikum am vergangenen Samstag in die Welt der geweinten wie ungeweinten Tränen mit Flötenmusik aus Mittelalter, Renaissance und Barock. Vereinsvorsitzender Ullrich Felchner würdigte die Persönlichkeit des wohl bedeutendsten Herrschers des Mittelalters, der am 28. Januar 814 starb.

 

Schon als die ersten Klänge von Borlets „Ma trédol Rosignol“ durch den Raum schwebten, wurden die Zuhörer ganz still. Während des rund einstündigen Konzerts war kaum ein Räuspern oder Husten zu hören. Wie verzaubert lauschten die Anwesenden den von Annette John, Katrin Krauß und Tanja Ofterdinger mal traurig-verhalten, mal heiter-beschwingt vorgetragenen Melodien.

 

Das Leid unerfüllter Liebe eines jungen Mädchens etwa beschreibt Eustache du Caurroys „Une jeune Fillette“. Um die Liebe zur Jungfrau Maria geht es in Guillaume Dufays „Virgine bella“. „Gelobet seist du, Jesus Christ“ besingt die Hoffnung auf göttliche Liebe und Erlösung. Das Trio trug drei Vertonungen des Liedes Martin Luthers von Michael Praetorius, Martin Agricola und Matthäus le Maistre vor. Im Laufe des Abend spielte jede der Flötistinnen bis zu fünf verschiedene Instrumente.

 

Nach einem ersten halbstündigen musikalischen Hochgenuss zeichnete Ullrich Felchner ein Bild des „unbestrittenen sinnesfreudigen“ Königs des Frankenreichs und ersten westeuropäischen Kaisers seit der Antike. Fünf Ehefrauen und vier namentlich bekannte Konkubinen habe er gehabt. Der aufgrund seiner Brutalität in den Sachsenkriegen als „Sachsenschlächter“ bekannte Monarch habe selbst viele Tränen vergossen, etwa nach dem Tod mehrerer seiner 18 Kinder oder des Papstes Hadrian. Auf die Bildung seiner Söhne wie Töchter habe Karl großen Wert gelegt. Er habe fließend Latein gesprochen, das fränkische Sprachgut gepflegt und die sieben freien Künste der Antike fördert. Auch im Schreiben habe sich Karl geübt, allerdings mit mäßigem Erfolg. Als einheitliche Schriftart setzte er die „karolingische Minuskel“ in seinem Reich durch. „Karl sah sich selbst als Beschützer der Kirche“, sagte Felchner, „denn nur mit ihrer Hilfe war die Ordnung im Reich aufrecht zu erhalten.“ Der „Vater Europas“ sei „Charlemagne“ zwar nicht gewesen, so sein Resümee. „Aber Karl rief eine Erneuerung der geistigen Kultur ins Leben, die Europa bis heute prägt.“

 

Nach einer weiteren halben Stunde traumhaft schöner Flötenklänge erntete das „Trio Viaggio“ begeisterten Applaus. Und Felchner bat die Musikerinnen um Verzeihung dafür, ihr Spiel als „Geburtstagsständchen“ angekündigt zu haben: „Das war kein Ständchen, sondern ein königliches Konzert.“ Und er war sicher: „Karl dem Großen hätte das sehr gefallen!“

 kj