Rheda-Wiedenbrück „In der Nacht zum Sonntag, hat die italienische Küstenwache nahe der Insel Lampedusa ein Boot mit 341 Flüchtlingen an Bord aufgegriffen, darunter 26 Kinder. Die Behörden Lampedusas fordern von der Regierung, die massive Migrationswelle zu stoppen.“
Nachrichten wie diese erregen kaum noch Aufsehen. Menschenrechtler Elias Bierdel aber hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf das Leid an den südeuropäischen Außengrenzen aufmerksam zu machen. Auf Einladung der Versöhnungskirchengemeinde Rheda-Wiedenbrück, des Weltladens und des Abendkreises der Frauenhilfe Rheda referierte er jetzt vor hochinteressierten und sichtlich betroffenen Zuhörern im evangelischen Gemeindehaus Rheda.
Denn jährlich versuchen Tausende afrikanische Flüchtlinge, auf dem Seeweg nach Europa zu gelangen. Sie fliehen vor Umweltkatastrophen, Kriegen, Hunger und Unterdrückung. Niemand weiß, wie viele auf der Flucht sterben, keiner kennt ihre Namen. An den europäischen Außengrenzen, so Bierdel, versuche eine ganze Armee aus Militär, Polizei und Grenzschutz, Menschen am Grenzübertritt zu hindern: „ Eine Schande für Europa!“
Aufsehen erregte 2004 die Irrfahrt des deutschen Rettungsschiffs „Cap Anamur“ mit 37 afrikanischen Flüchtlingen im Mittelmeer. Bierdel war als damaliger Chef der gleichnamigen Rettungsorganisation an Bord. Kritiker warfen ihm vor, menschliches Leid für eigene Ziele zu missbrauchen. Er rief die Ereignisse ins Gedächtnis: Am 20. Juni 2004 rettete die „Cap Anamur“ zwischen der lybischen Küste und der italienischen Insel Lampedusa 37 Afrikaner von einem defekten Schlauchboot ohne Trinkwasservorräte. Doch die italienischen Behörden ließen die Menschen auf dem Schiff nicht mehr an Land; Zoll-, Polizei- und Militärschiffe blockierten es auf offener See. Viele italienische Menschenrechtler, Journalisten und die katholische Kirche solidarisierten sich mit den Geretteten. Nachdem mehrere von ihnen mit Selbstmord gedroht hatten, schien eine humanitäre Lösung gefunden, das Schiff lief in den sizilianischen Hafen Porto Empedocle ein. Doch die Flüchtlinge wurden verhaftet und – bis auf einen - abgeschoben. Drei Besatzungsmitglieder der „Cap Anamur“ wurden als „Schlepper“ festgenommen, das Schiff beschlagnahmt.
Heute engagiert Bierdel sich im Menschenrechtsverein „borderline-europe“ gegen die Abschottung der europäischen Grenzen. Die Flüchtlinge, so der Referent, versuchten ihr Glück oft in winzigen Booten mit nichts an Bord als Gottvertrauen. „Natürlich ist das verantwortungslos! Aber sie sagen: ‚Unsere Chance zu überleben ist 50 Prozent. Das reicht uns!’“ Erschüttert hörten die Anwesenden Birdels Bericht von Landminen und Folter, von Schießbefehlen und Verletzungen internationalen Seerechts. „Die verfehlte europäische Politik vertreibt die Menschen aus ihren Heimatländern“, klagte er an. „Diese Menschen haben jedes Recht, herzukommen und ein besseres Leben zu verlangen. Wie wir damit umgehen, ist jetzt die Frage. Wegschauen und gleichzeitig die Kriegsmarine schicken, das kann’s nicht sein!“