Gütersloh. Generationen von Schülern kennen die tragische Geschichte der Effi Briest. Auf Einladung des Fördervereins historische Kirchen zeigte das Theaterlabor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster jetzt Edith Erhardts Bühnenfassung des meisterhaften Romans von Theodor Fontane. Es sei ein Experiment, in der Gütersloher Apostelkirche erstmals ein reines Theaterstück zu zeigen, so der Vereinsvorsitzender Ullrich Felchner.
Effi ist siebzehn, überschäumend vor Lebenslust und ebenso naiv wie romantisch. Sie heiratet den mehr als doppelt so alten ehemaligen Verehrer ihrer Mutter, Baron Geert von Instetten in der Annahme: „Gewiss ist er der Richtige. Jeder ist der Richtige. Natürlich muss er von Adel sein.“ Instetten ist „ein Mann von Grundsätzen“, dem seine Karriere wichtiger ist als seine junge Frau. Die langweilt sich entsetzlich in der Einsamkeit des Landguts ihres oft abwesenden Mannes in Hinterpommern. Das unheimliche „Spukhaus“ macht ihr zudem Angst. Die weiß Instetten geschickt zu nutzen, um seine junge Frau zu kontrollieren. Ebenso Haushälterin Johanna, die ihre Arbeit mit unnahbarer Kälte versieht: „Angst? Das gibt sich, gnädige Frau, die hatten wir alle...“ Nur der devote Apotheker Alonzo Gieshübler wird Effi zum Freund, „er ist der einzige, mit dem ich lachen kann.“
Ganz anders als ihr hölzerner Ehemann ist der gewandte Major Crampas: „Ohne Leichtsinn ist doch das Leben keinen Schuss Pulver wert!“ Die junge Frau lässt sich auf eine Affäre mit dem Charmeur ein. Dann wird Instetten befördert, das Paar zieht nach Berlin. Effi ist erleichtert, doch plagt sie „diese Furcht, es kommt noch an den Tag“. Jahre später findet Instetten zufällig einen Brief des Majors an Effi. Er tötet Crampas im Duell, verstößt seine Frau und besiegelt so ihren Untergang.
Mit lediglich drei Darstellern gelang es Regisseur Enrico Otto, die vielschichtige Romanvorlage über rund 80 Minuten gekonnt in wichtigen Schlüsselszenen einzudampfen. Überzeugend verkörperte Katja Lehmann den Wandel Effis vom übermütigen, selbstbewussten jungen Mädchen hin zur verängstigten und schließlich zur gebrochenen Frau. So sah man gerne über kleine sprachliche Schwächen hinweg. Andreas Mory schlüpfte gleich in sämtliche Männerrollen. Insbesondere durch seine Körpersprache verlieh er Instetten ebenso Charakter wie Gieshübler und Crampas. Imke Zimmermann überzeugte als die kalte und abweisende Johanna.
Die gut 100 Zuschauer spendeten reichlich Applaus. Auch Ullrich Felchner zeigte sich hoch zufrieden: „Das Experiment ist gelungen!“, stellt er fest. Er könne sich weitere Stücke des Theaterlabors Münster an gleicher Stelle vorstellen - so etwa Dantes „Göttliche Komödie“. Es scheint, als habe sich den Veranstaltungen in der Apostelkirche ein neues weites Feld geöffnet.