Glaubensstarker Pazifist

Erinnerung an den ehemaligen Schulpfarrer des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums Otfried Sander †

Ein aufrechter Glaubenszeuge: Pfarrer Otfried Sander †. Foto: Eckart Sander

Gütersloh. Kurz vor Weihnachten ist Otfried Sander in seinem dreiundneunzigsten Lebensjahr gestorben. Von 1957 bis 1970 war er Schulpfarrer des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums Gütersloh (ESG). Im Zweiten Weltkrieg, an dem er als junger Soldat teilnehmen musste, hatte er eine schwere Gesichts- und Augenverletzung erlitten. Sie erinnerte an die kriegerischen Schrecken, für die Deutschland die Verantwortung trug. Dadurch war Sander Pazifist geworden, der jede Form militärischer Gewalt ablehnte.

Als Religionslehrer und Pfarrer ließ er seinen Schülern alle Freiheit, zwischen Wehrpflicht und Zivildienst zu wählen. Bei der zur „Wehrdienstverweigerung“ obligatorischen „Gewissensprüfung“ im Kreiswehrersatzamt Wiedenbrück übernahm Sander häufig die Funktion des Begleiters und Anwaltes der Verweigernden. Oft musste er erleben, dass seine Schüler mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurden und ihn selber bürgerliche Kreise wegen seines Engagements abqualifizierten. Ein Standortältester der Bundeswehr in Gütersloh setzte sogar den Militärischen Abschirmdienst auf ihn an. Er sollte überprüfen, ob die Quote der „Wehrdienstverweigerer“ am ESG höher war als an anderen Gymnasien der Region.


Theologisch gehörte Otfried Sander zur Schule des Schweizer Theologen Karl Barth. Man mokierte sich – auch in der Kirche - über den „Linksbarthianismus“. Dazu gehörte unter anderen Kirchenpräsident Martin Niemöller (Hessen Nassau), der in der Nazizeit „als Privatgefangener Hitlers“ jahrelang im Konzentrationslager saß. Er war für Konservative ein rotes Tuch. Als Sander gemeinsam mit einigen Pfarrbrüdern Niemöller Anfang der 1960er Jahre nach Gütersloh holte, sorgte das für einigen Aufruhr. Auch der Vietnamkrieg war jenen Theologen Sünde und Verbrechen. Als Schüler des ESG 1968 eine Vietnamdemonstration anmeldeten, ging Sander mit Direktor Siegfried Hajek vorneweg. Wochenlange Diskussionen über das skandalöse Verhalten der Pädagogen und die „Tragbarkeit der Leitungsfiguren“ des ESG waren die Folge.


Sander setzte sich nachhaltig für das Wohl der Evangelischen Kirchengemeinde ein. Als Vorsitzender des Vereins „Haus Wolfgang“ auf Spiekeroog ist ihm und seinem Vorstand ist die geistliche wie bauliche Erneuerung der Familienferienstätte zu verdanken. Ohne sie würde es das Haus heute nicht mehr geben.


1970 wurde Sander Schulreferent im Kirchenkreis Braunfels – Wetzlar. In der Rheinischen Kirche fand sein Wort mehr Aufmerksamkeit und Gewicht als in Westfalen.

Zeitlebens war Otfried Sander ein Zeuge Jesu Christi, sein Unterricht gottesfürchtig und didaktisch erfindungsreich. In Jesus Christus den Sinn des Lebens zu entdecken, von ihm her Glauben, Liebe und Hoffnung zu bewähren, war seine Leidenschaft. Er wurde im Familiengrab in Bremen beigesetzt.

Rolf Wischnath