Gott im Ginkgoblatt

Apostelkirche Gütersloh: Kabarettist Okko Herlyn hielt dem Kirchenvolk den Spiegel vor

Er kann auch anders: Okko Herlyn in Aktion. Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh.  „Das ganze Palaver“ um das anstehende Reformationsjubiläum kann Okko Herlyn nicht begreifen. „Nur weil der Luther seinerzeit nen paar rostige Nägel inne Tür gekloppt hat?“ Auf Einladung des Fördervereins Historische Kirche im Stadtzentrum gastierte der Kabarettist in der Apostelkirche. 110 Gäste fühlten sich von seinem Programm „Hier stehe ich, ich kann auch anders“ – einer temporeichen Collage aus Sketchen und Songs - bestens unterhalten.

 

Als ehemaliger Gemeindepfarrer weiß Herlyn, wovon er spricht – und sein Publikum wusste es auch. So waren ihm die Lacher sicher, als er mit spitzer Zunge die „liturgische Präsenz auf Augenhöhe“ manches zeitgenössischen Geistlichen durch den Kakao zog. Sei es, dass er zur Veranschaulichung des Bibeltextes wahlweise unbekannte „keltische Märchen oder jüdische Legenden“ bemüht oder sein „Kaffee schlürfendes, Bleistift zerkauendes und Ehe gefährdendes“ Ringen um die Predigt im einsamen Studierzimmer schildert, „während die Gattin gemeinsam Dschungelcamp gucken will“. Welch Glück, wenn er die „beinerne Liturgie“ mit Laptop, Beamer und I-Pod bereichert oder kurz vor dem Segen sein Handy klingelt – und er natürlich drangeht. Soll jedoch ein Brautpaar nicht nur Trauspruch und Lieder selbst aussuchen, sondern auch die Trauzeugen für Gebete einspannen, witterte Herlyn „Anstiftung zur Schwarzarbeit“.

 

Immer wieder erweckte er durch lokale Anspielungen („Da lob’ ich mir den alten Pfarrer Ahlers, das war noch ein Seelsorger!“) den Anschein, als habe er köstliche Episoden wie den Wettbewerb um die spektakulärsten Krankheiten direkt dem Gemeindefrühstück im Haus der Begegnung abgelauscht. Gern ließ sich das Publikum auch in die Rolle des Kirchenchores mitnehmen, dessen Probe im Stadium des Einsingens mit „Marthas Marmorkuchen“ steckenbleibt. Und wer würde nicht mal gerne mit Legosteinen beten oder Gott im Ginkgoblatt entdecken? Da bleibt nur eins: „Wir verlassen das Gotteshaus und stürzen uns in die nächste Kneipe!“

 

Manchmal jedoch blieb das Lachen im Hals stecken. Wenn Herlyn etwa zum Jahr der Toleranz forderte, „Zwangsheirat, Mädchenhandel und Ehrenmord doch mal lockerer zu sehen“. Oder beklagte, dass es heute keinen anständigen Krieg mehr gäbe, sondern nur noch „alternativlose Sicherheitsmaßnahmen“ oder „waffengestützte Entwicklungshilfe“: „Was sollen unsere Kinder denn dann noch in der Schule lernen?“ Da wurde der Spötter auf einmal ganz ernst und die Kirche ganz still.

 

Fördervereinsvorsitzender Ulrich Felchner war begeistert. Ob des Lobes setzte Okko Herlyn noch einen drauf und präsentierte den „Gütersloher Dreisatz“. Mit dieser „trigonometrischen verbalen Scheckkarte“ vermöge der Ostwestfale in einem Wort sämtlichen Gefühlsausbrüchen adäquat Ausdruck zu verleihen. Herlyns Fazit: „Fa-bel-haft!“ Recht hat er.

kj