Kampf um den Tempelberg in Jerusalem

Vortrag von Dieter Vieweger im Bibeldorf Rietberg

Professor Dieter Vieweger referierte im Bibeldorf Rietberg.Foto: Frauke Brauns

Rietberg. Professor Dieter Vieweger, Direktor des Deutschen Evangelischen Institutes für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Jerusalem und Amman (DEI), war jetzt wieder zu Gast im Bibeldorf Rietberg auf Einladung von Pfarrer Dietrich Fricke. Im Fokus seines Vortrages stand dieses Mal der „Kampf um den Tempelberg in Jerusalem“. „Ich sage Ihnen die Dinge, so wie ich sie verstehe und nicht die Wahrheit“, warnte er die rund 200 Zuhörerinnen und Zuhörer. Als größte Schwierigkeiten bei der Sicht der Dinge rund um den Anspruch auf den Tempelberg benannte er die Sichtweisen der verschiedenen Nationalitäten und Religionen. Sie beriefen sich auf Traditionen, historische Ereignisse und religiöse Interpretationen und nicht unbedingt auf überprüfbare Fakten.

 

Eindrücklich erläuterte Vieweger anhand von Karten und Bildern von Ausgrabung die Geschichte sowohl des Orte Jerusalem als auch des Tempelberges an sich, der Klagemauer und der Altstadt. Er erinnerte an die verschiedenen Gebäude auf dem Berg – die beiden Tempel der Israeliten und die sakralen Bauten der Muslime –, die wiederum den Anspruch der jeweiligen Seite untermauerten. Der Wissenschaftler betonte, dass grundsätzlich der Zugang zu Tempelberg und Klagemauer sowie das Beten dort jedem Menschen erlaubt sei. Es gebe nationale und internationale Verträge, die das regeln und garantieren. Ängste, die Juden wollten auf dem Berg einen neuen Tempel bauen, könne er nachvollziehen. „Wenn Juden überall auf muslimischem Gebiet bauen, warum nicht auch auf dem Tempelberg?“, fragte er provokativ. Gleichzeitig gab er zu bedenken: Viele Juden gingen nicht auf den Berg, weil sie nicht genau wüssten, wo sich das Allerheiligste des alten Tempel befunden habe. Es sei ihnen nicht vorstellbar, diesen Ort zu betreten.

 

Immer wieder betonte Dieter Vieweger, dass der Konflikt um den Tempelberg sehr emotional geführt werde. Er führte aus, dass dabei die Religion herangezogen werde, um Ziele zu verfolgen. „Religion wird benutzt, weil die Menschen dort getroffen werden, wo sie am empfindlichsten sind und manipulierbar“, sagte er. Deshalb führten die Strategien, Fakten zu schaffen und Massen zu mobilisieren, zu Erfolgen. Als Lösung des Problems stelle er sich den Tempelberg mit dem Felsendom als einen Ort für alle Nationen und alle Religionen vor. „Friede“, so resümierte er, „ist kein Schicksal, man muss daran arbeiten.“

 

Im Anschluss an diesen Vortrag und eine Fragerunde berichtete DEI-Assistenten Katja Soennecken von einem Projekt, in dem sie zusammen mit Marcel Serr Schülerinnen der 10. Klasse der Jerusalemer Schmidt-Schule die Geschichte Jerusalems nähergebracht hatte. Drei Wochen lang erarbeiten die Mädchen in Gruppen die Geschichte ihrer Stadt und ließen sie in Präsentationen und Rollenspielen lebendig werden. Sie erkundeten Ausgrabungsorte und damit die frühe Geschichte der Stadt, erlebten einen szenischen Wettkampf um den besten Herrscher in herodianischer Zeit und reisten mit einer „Zeitmaschine“ in die Zeit der Umayyaden. Schließlich machten sie bei einem Quiz über die Zeit der Kreuzfahrer mit. Am Ende der drei Wochen hatten sie sich intensiv mit den wichtigen Phasen der jüdisch, islamisch und christlich geprägten Stadtgeschichte beschäftigt, fasste Soennecken zusammen.

 

Kirchenrat Gerhard Duncker dankte als Beauftragter für interreligiösen Dialog der westfälischen Landeskirche sowohl den Mitarbeitenden des DEI als auch den haupt- und ehrenamtlich Engagierten im Bibeldorf Rietberg für ihre „tolle, geleistete Arbeit.“
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