„Keiner übernimmt Verantwortung“

Vor der Fußball-WM: Estela Ramírez informierte über Schattenseiten der Bekleidungsindustrie

Zeigen Adidas die „dunkelgelbe Karte“: Gewerkschafterin Estela Ramírez (links) und Carina Rösch von der Christlichen Initiative Romero. Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. „Adidas hat Angst davor, dass die Arbeiterinnen keine Angst mehr haben“, sagt Estela Ramírez. Jahrelang hat sie in der Fabrik „Hermosa“ gearbeitet, die in El Salvador Sportbekleidung für Adidas produzierte. Als sie mit Kolleginnen 2005 eine Gewerkschaft gründen wollte, wurde sie entlassen, die Fabrik wenig später geschlossen. Heute setzt sich Ramírez als Präsidentin der salvadorianischen Gewerkschaft Sitrasacosi auch in Deutschland für gerechte Arbeitsbedingungen in ihrer Heimat ein.

 

Vor gut 30 Interessierten war Estela Ramírez auf Einladung des Ausschusses für Mission, Ökumene und Weltverantwortung (MÖWe) der Evangelischen Kirchengemeinde und der Attac Regionalgruppe Gütersloh im Haus der Begegnung zu Gast. Gütersloh war letzte Station ihrer Vortragsreise im Rahmen der Kampagne „FAIR PLAY - fair pay?“, mit der die Christliche Initiative Romero (CIR) im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien auf die Schattenseiten der internationalen Bekleidungsindustrie aufmerksam macht.

 

Mit Hilfe ihrer Übersetzerin Carina Rösch berichtete Ramírez über massive Arbeitsrechtverletzungen: Unbezahlte Überstunden, stetig wachsender Arbeitsdruck, Demütigungen und sexuelle Belästigungen gehörten ebenso zum Alltag wie willkürliche Entlassungen. Um zu verhindern, dass sich die Frauen untereinander solidarisieren, würden einige durch kleine Vergünstigungen angestiftet, ihre Kolleginnen zu bespitzeln. Mit dem aktuellen Mindestlohn von 202 Dollar im Textilsektor sei es den Näherinnen unmöglich, ihre Familien durchzubringen. Ramírez: „Dafür müssten sie laut Berechnungen der Regierung mindestens 580 Dollar verdienen.“

 

In El Salvador gebe es nur fünf große Firmen, die Adidas offiziell als Lieferanten anerkenne. „Sie alle verletzten internationales Arbeitsrecht.“ Mehr noch: Diese Firmen gäben Aufträge an Subunternehmen weiter bis hin zu illegalen Werkstätten, die nirgendwo registriert und daher kaum zu belangen seien. Hier seien die Arbeitsbedingungen noch schlechter. „Die Näherinnen sitzen in engen Räumen ohne genug Licht, Lüftung oder Zugang zu sauberem Wasser.“ Oft seien die Betreiber dieser Firmen ehemalige Mitarbeiter der offiziellen Zulieferer-Betriebe, so Ramírez.

 

Diese Vernetzungen seien auch Adidas bekannt: „Adidas gibt die Produktionsbedingungen in den Betrieben vor und ist dafür verantwortlich!“ Würden die Löhne angehoben, verlege der Konzern die Produktion. Bei der Adidas Hauptversammlung am 8. Mai in Fürth, so Ramírez, habe sie Vorstandsvorsitzenden Herbert Hainer aufgefordert, für gerechte Löhne der Textilarbeiterinnen zu sorgen. Aber: „Ich bekam keine Antwort, keiner übernimmt die Verantwortung.“

 

Dennoch freut sich Estela Ramírez über das wachsende öffentliche Interesse für ihre Arbeit: „Auch der Kampf für Arbeitsrechte globalisiert sich!“ Gern beantwortete sie die vielen Fragen aus dem Publikum. Im Nu vergriffen waren mitgebrachten Postkarten, mit denen man unter dem Motto „Foulspiel!“ gegen die unfairen Produktionsbedingungen in den Zulieferbetrieben von Adidas protestieren kann.

Interessierte können sich auf der Homepage der Christlichen Initiative Romero dem Protest anschließen.
kj