Langer Weg der Versöhnung

Mission Lectures 2014: Die Rolle der Kirchen nach dem Genozid in Ruanda

Klaus Meyer-Jösting (l.) und Pfarrer Dr. Pascal Bataringaya. Text und Fotos: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. Am Ende des Abends zeigte Dr. Pascal Bataringaya ein Foto: eine Gruppe lächelnder Menschen, teils in leuchtend bunter afrikanischer Tracht. „Wer ist Täter, wer ist Überlebender?“, fragte der Pfarrer aus Ruanda. „Unglaublich, sie leben jetzt wie Brüder und Schwestern zusammen.“

 

Um den Völkermord in Ruanda sowie die Rolle der Kirche im anschließenden Versöhnungsprozess ging es am vergangenen Dienstagabend im Matthäus-Gemeindezentrum. Pfarrer Bataringaya ist Vizepräsident der Presbyterianischen Kirche in Ruanda. Im Rahmen der Reihe „Mission Lectures 2014“ der Vereinten Evangelischen Mission reist er derzeit durch Westfalen. Den Abend moderierte Klaus Meyer-Jösting vom Ausschuss für Mission, Ökumene und Weltverantwortung des Evangelischen Kirchenkreises Gütersloh.

 

Die Vorgeschichte des Völkermords begann laut Bataringaya in der Kolonialzeit. Bei den in Ruanda lebenden Hutu, Tutsi und Twa habe es sich ursprünglich nicht um ethnische, sondern um gesellschaftliche Gruppen gehandelt. Erst 1933 habe die belgische Kolonialverwaltung die Ruander ethnisch klassifiziert. Ruandische Extremisten unter den Hutu hätten die gesellschaftliche Spaltung dann vorangetrieben, gezielte Anti-Tutsi-Propaganda der von der Regierung dominierten Medien die Konflikte weiter geschürt.

 

Während des Völkermordes wurden 1994 in Ruanda innerhalb von rund drei Monaten an die eine Millionen Menschen – meist Tutsi oder gemäßigte Hutus – grausam ermordet. „Die Kirchen haben leider nichts getan“, so Bataringaya. „Damals habe ich beschlossen: Ich will helfen, ich möchte Pfarrer werden.“

 

In Deutschland hat der ruandische Theologe über die Friedensethik Dietrich Bonhoeffers promoviert. In ihr sieht er einen wichtigen Schlüssel zur Versöhnung: „Von Bonhoeffer lernen wir, dass die Wahrheit, die immer auch die Reue einschließt, der Versöhnung voraus geht.“ Für die ruandische Gesellschaft sei soziale Harmonie das höchste Gut. Als nach den Massenmorden rund 100.000 Menschen in Gefängnissen saßen, habe sich das Land auf eigene positive Traditionen besonnen und dörfliche „Gacaca-Gerichte“ eingesetzt. Mit Hilfe vertrauenswürdiger Menschen als Mittler begegneten sich dort Opfer und Täter auf Augenhöhe, um das soziale Gleichgewicht gewaltfrei wieder herzustellen.

 

1996, so Bataringaya, habe sich die Synode der Presbyterianischen Kirche in Ruanda zu ihrer Schuld bekannt, nichts gegen den Genozid unternommen zu haben. Erst danach konnte sie wieder Vertrauen gewinnen und „bereit sein, als Katalysator dieser Versöhnung und des Heilens der Erinnerungen zu handeln.“ So habe die Kirche in Ruanda „Täter und Überlebende auf den Weg der Versöhnung gebracht und begleitet“ sowie für alle Bevölkerungsschichten therapeutische Hilfe organisiert. „Der Weg der Versöhnung ist lang“, betonte Bataringaya. „Aber er ist möglich und wir gehen ihn weiter.“
kj