Lebens- und Glaubensgeschichten sind sein Ding

Ulrich Meyer-Gieselmann geht nach 33 Jahren in den Ruhestand

Brackwede. Die direkte Begegnung mit den Menschen in der Gemeinde oder auf der Straße liegt ihm am Herzen. Pfarrer Ulrich Meyer-Gieselmann ist in Brackwede bekannt als Fußgänger – mit seinen verschiedenen Arbeitstaschen. Damit ist er nah bei den Gemeindegliedern. „Der Mensch ist ein soziales Wesen, eine Kirchengemeinde lebt von der Begegnung“, sagt er. Deshalb war der Pfarrer genauso gerne in überschaubaren Gemeindekreisen präsent wie sonntags in der gut besuchten Kirche. Natürlich ist es sinnvoll, in einer großen Gemeinde Gottesdienste „von vorne“ zu feiern, betont er. „Auch dann könne eine Predigt Einladung sein, selbst weiter nachzudenken.“ Ebenso wichtig seien aber Gespräche: mit Gemeindeglieder, z.B. bei der Vorbereitung für Kasualien, in Gruppen oder auch im Presbyterium. Wenn weniger als 20 Leute kommen, könne man Gottesdienste auch im Kreis feiern und anstelle der Predigt ein Gespräch führen. In Brackwede sei das alles möglich.

Am 1. Mai beginnt für Ulrich Meyer-Gieselmann nach 33 Jahren in der Bartholomäus-Kirchengemeinde Brackwede nun der Ruhestand. Seit Oktober 1989 war er zunächst in Teilzeit hier tätig. Seine Frau Angela Gieselmann und er teilten sich als Ehepaar die Pfarrstelle. Es war ihnen beiden wichtig, neben dem Beruf genug Zeit für die drei Kinder zu haben. Später war Pfarrerin Gieselmann dann am Krankenhaus Rosenhöhe als Seelsorgerin beschäftigt. 2010 wechselte Ulrich Meyer-Gieselmann in den 100prozentigen Dienst. 
Nach dem Abitur am Herder-Gymnasium in Minden und dem Zivildienst auf dem Wittekindshof in Bad Oeynhausen stand für ihn fest, Theologie studieren zu wollen. Besonders die Teilnahme an Tagungen des Dienstes an den Schulen hatte diesen Wunsch geweckt. Das hat bis heute seine Leidenschaft geprägt, mit Menschen über Lebens- und Glaubensfragen zu sprechen. Die Freude an der Teamarbeit in der Kirchengemeinde Brackwede hat ihren Ursprung wohl auch darin.
Es ist ihm schwergefallen, den stetigen Rückgang an Gemeindegliedern mitzuerleben und mitgestalten zu müssen – und damit verbunden die Aufgabe von Gemeindehäusern und die beständige Verkleinerung des Pfarrteams. Als das Pfarrehepaar 1989 nach Brackwede kam, hatte die Bartholomäus-Gemeinde fünf Pfarrstellen mit fünf Gemeindehäusern, ab 1. Mai wird es nur noch eine Stelle sein und ein Gemeindehaus. Pfarrer Ingo Stucke bekommt dann Unterstützung aus den umliegenden Gemeinden des Verbandes Brackwede. Als größte Herausforderung für die Gemeinden sieht Meyer-Gieselmann die Aufgabe, schnell das Miteinander neu regeln zu müssen. Aber, „die Kirche in Brackwede hat in über 800 Jahren schon ganz andere Krisen überstanden“, betont er. 
Ein bedeutendes Ereignis in seiner Amtszeit war der Brand der Kirche am 21. Februar 1990. Da brannte die denkmalgeschützte Bartholomäuskirche während Renovierungsarbeiten vollständig aus. „Die Entscheidungen zum Wiederaufbau fällten wir gemeinsam“, erinnert sich der Pfarrer. „Dies Miteinander war eine gute Erfahrung.“
Die Beeinträchtigungen der Gemeindearbeit durch die Corona-Pandemie in den vergangenen Jahren sieht er vor allem in den eingeschränkten Begegnungsmöglichkeiten. Diese haben nach seiner Meinung gezeigt, dass es nicht ausreiche, nur mit dem Lebensnotwendigen versorgt zu sein. 
An die 800-Jahr-Feier der Kirche in 2016 erinnert er sich gerne. Er nennt die Ausstellung zur Geschichte und die Festschrift von Hans Küpper als Highlights. 
Da er sich besser an Menschen als an Ereignisse erinnert, kommen die vielen und vielfältigen Begegnungen immer wieder zurück in den Fokus seiner Erzählungen. Und man merkt, dass er gar nicht alle erwähnen kann, die ihm in der Gemeinde lieb geworden sind. „Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihnen begegne“, sagt er. Er wird ihnen auch in Zukunft begegnen, denn jetzt wohnen seine Frau und er schon in Sennestadt. Er bleibt also dem Bielefelder Süden erhalten, will im Männergesprächskreis dabeibleiben und freut sich, persönliche Freunde weiter treffen zu können. Und sicher wird Ulrich Meyer-Gieselmann auch weiter zu Fuß durch Brackwede gehen. Brackweder können sich schon mal darauf freuen, ihm dort weiterhin zu begegnen – dann vielleicht mit einer Einkaufstasche.         fra


Infos
Geboren am 30. Juni 1956 in Oberlübbe im Kreis Minden machte Ulrich Meyer auf dem Herder-Gymnasium in Minden sein Abitur im Jahr 1976. Auf dem Wittekindshof in Bad Oeynhausen leistete er seinen Zivildienst von Juli 1976 bis Oktober 1977. Dann studierte er Ev. Theologie in Bethel, Marburg und Münster. In dieser Zeit, 1981, hat er geheiratet. 
Sein Vikariat absolvierte er in der Luther-Gemeinde in Bielefeld-Sieker. Als Pastor im Hilfsdienst war er in der Ev.-reformierten Kirchengemeinde Bielefeld tätig. 1988 ordinierte ihn dort Superintendent Ortwin Steuernagel.
Anfang Oktober 1989 begann er gemeinsam mit seiner Frau Angela Gieselmann seinen Dienst in der Bartholomäus-Kirchengemeinde Brackwede. 1989, 1991 und 1995 wurden ihre drei Kinder geboren. Das Pfarrerehepaar hat versucht, die Familienarbeit und den Dienst in der Gemeinde gleichberechtigt untereinander zu teilen. Als die Kinder allmählich selbstständig wurden, verließ Pfarrerin Gieselmann die Gemeinde. Ab 2010 hatte Meyer-Gieselmann dann eine Vollzeitstelle.