„Miteinander selbstbestimmt leben“

„Reformation und Politik“: Film und Expertengespräch zur Inklusion

Für Inklusion im Alltag: Stefan Querl, Heike Weber, Hans-Alfred Nell, Pfarrer Marco Beuermann sowie Sigrid Beer. Foto: Kerstin Jacobsen

Rheda-Wiedenbrück. 25 Interessierte kamen zum Start der Veranstaltungsreihe der Evangelischen Versöhnungs-Kirchengemeinde zum Themenjahr 2014 „Reformation und Politik“ ins Gemeindehaus an der Wichernstraße. Sie kombiniert jeweils einen Spielfilm mit einem anschließenden Expertengespräch. Zum Auftakt wurde der französische Film „Ziemlich beste Freunde“ gezeigt, danach diskutierten - moderiert von Stefan Querl - die Landtagsabgeordnete und schulpolitische Sprecherin Sigrid Beer, der Sonderpädagoge Alfred Nell und Heike Weber von Bethel-regional mit den Gästen über das Thema „Inklusion“.

 

Der Film lebt von seinen gegensätzlichen Außenseiter-Helden: Hier der reiche, gebildete, halsabwärts gelähmte Philippe, dort der ungehobelt-charmante Ex-Häftling Driss. Philippe hat genug vom Mitleidsgetue seiner Umwelt. Als er einen neuen Pfleger sucht, bewirbt sich unter vielen auch Senegalese Driss. Obwohl – eigentlich will der respektlose Underdog nur eine Unterschrift für das Arbeitsamt. Doch Philippe engagiert ihn vom Fleck weg. Die Zuschauer amüsierten sich köstlich darüber, wie Driss die steife Entourage seines neuen Arbeitgebers aufmischt und dabei selbst neue Perspektiven entdeckt, während Philippes Lust am Leben wieder erwacht.

 

Inklusion sei ein langwieriger Prozess und „Aufgabe für uns alle“, so Sigrid Beer zu Beginn der angeregten Diskussion. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Bildungsanspruch von Kindern mit Behinderungen überhaupt anerkannt worden; Sonderschulen und Betreuungsangebote wurden errichtet. „Jetzt geht es um den nächsten Schritt: Miteinander selbstbestimmt zu leben.“ Das ist auch Heike Weber wichtig: „Jeder Mensch soll dort leben, wo er möchte.“ Derzeit errichte Bethel-regional hinter dem ehemaligen Evangelischen Krankenhaus Rheda eine Wohngruppe für 20 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Um Hemmungen ihnen gegenüber abzubauen helfe es, „offen zu sein und zu versuchen, sich kennenzulernen und zu verstehen.“

 

Ermutigende Beispiele gemeinsamen Lernens von Kindern mit und ohne Behinderungen an Schulen sah Hans-Alfred Nell. „In den Kollegien der Regelschule ist die Bereitschaft groß.“ Besonders wichtig war dem Sonderpädagogen, dass „Kinder möglichst dort zur Schule gehen können, wo sie auch leben.“ Davon sei man aber – nicht zuletzt mangels Fachpersonals – noch weit entfernt.

 

„Immer wieder werden Gesetze gemacht, aber die Finanzierung lässt auf sich warten!“ Diesen Einwurf einer Zuschauerin ließ Sigrid Beer nicht auf sich sitzen. „Bis Ende der Legislaturperiode investieren wir über eine Milliarde Euro!“ Ziel des gemeinsamen Lernens von Kindern mit wie ohne Behinderung oder besonderen Förderbedarf an Regelschulen sei auch nicht, Förderschulen abzuschaffen. „Es wird immer Kinder geben, die einen geschützten Raum brauchen“, waren sich Beer und Nell einig. „Die würden auch in gewöhnlichen Konfi-Kursen untergehen“, bestätigte Pfarrer Marco Beuermann aus seiner Erfahrung. „In der Regelschule gibt es keine Käseglocke“, betonte eine Teilnehmerin. „Das müssen die Eltern sich vorher klar machen, dann gibt es eben blaue Flecke.“

 

Alle waren sich einig: „In Sachen Inklusion ist noch viel zu tun, aber es lohnt sich!“

kj