„Schenk ‘ne Suppe und ein Lächeln!“

Auch 2021 wird es in Gütersloh eine Vesperkirche geben – sie wird nur völlig anders gestaltet sein als die bisherigen.

Blick in die Martin-Luther-Kirche mit Vesperkirche 2019. Foto: privat

GÜTERSLOH – Vesperkirche in Zeiten von Corona: Wie soll das gehen? Wie bitte ein Fest der Begegnung feiern, wo doch gerade das, die Begegnung, derzeit kaum möglich ist? Die Organisatoren der Gütersloher Vesperkirche haben dennoch entschieden, sie auch 2021 stattfinden zu lassen. Sie wird nur völlig anders gestaltet sein als die bisherigen.

Die Martin-Luther-Kirche, sonst Ort der Begegnung und der gemeinsamen Mahlzeit am Tisch, bleibt weitgehend zu. Stattdessen erfolgt die Verteilung draußen vor dem Kirchenportal. Und gegessen wird nicht vor Ort, sondern dort, wo das Essen ankommt – sei es zuhause auf dem eigenen Herd oder bei der Nachbarin, dem Busfahrer, der Schuhverkäuferin, dem überraschten Passanten.
15 Tage lang, vom 24. Januar bis zum 7. Februar, wird die Vesperkirche stattfinden. Die Organisatoren werden vor dem Gebäude ein großes Regal aufbauen – dieses Regal wird rund 100 Fächer haben, und in jedem werden Mahlzeiten stehen: Solche, die man mitnehmen kann. Eingemacht in Weckgläsern und damit transportfähig. Die Idee: Menschen finden sich täglich um die Mittagszeit an der Kirche ein, nehmen sich ein kostenloses, gefülltes Weckglas aus dem Regal und verschenken es weiter an Menschen, denen sie Gutes tun wollen. Seien es Bekannte oder Fremde.
„Natürlich haben wir uns lange die Entwicklung der Pandemie angesehen und immer wieder neue Ideen entwickelt, wie wir trotz der Abstands- und Distanzgebote ein passendes Modell für unsere Vesperkirche finden“, sagt Dörte Sonnabend, Mitglied des ehrenamtlichen Organisationsteams. „Wir glauben nun, ein Corona-konformes Angebot gefunden zu haben: Wir wollen Suppen verschenken! Oder genauer gesagt: Verschenken lassen. Und mit dieser Mahlzeit eine Form der Zuwendung sowie den Gedanken, dass wir weiter, gerade in dieser Zeit, füreinander da sind.“
Das Motto der Vesperkirche 2021 lautet: „Schenk ‘ne Suppe und ein Lächeln!“ Sie behalte auf diese Weise ihren Grundgedanken bei, über eine Mahlzeit miteinander in Kontakt zu treten und Menschen das Gefühl zu geben, wahrgenommen zu werden. „Wir wollen den Geist der Vesperkirche lebendig halten, aber niemanden gefährden“, sagt Pfarrer Stefan Salzmann, Mitglied im Organisationsteam. Wer eine Mahlzeit aus dem Regal nehme und sie anderen bringe, drücke damit den Wunsch nach Begegnung aus. „Wunderbar wäre es auch, wenn man diese Mahlzeit nicht nur überreicht, sondern sie gemeinsam einnimmt, wo und wann auch immer.“ Erstmals werde die Vesperkirche auch komplett vegetarisch sein. 
„Wir sehen in der Pandemie eine Gefahr, dass sich die sozialen Gegensätze verschärfen. Sie gefährdet nicht nur unsere Gesundheit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagt Wolfgang Sieveking. In dem Vorgang, sich untereinander eine Mahlzeit zu bringen, sich vielleicht damit zu überraschen, zeige sich das Bestreben, Trennendes zu überwinden. Wo sonst in der Martin-Luther-Kirche über die 15 Tage mehr als 5.000 Menschen eng beieinander gesessen hätten, wird dieses Treffen nun Corona-gerecht in viele kleine Begegnungen und übers ganze Stadtgebiet aufgeteilt.
„Wir bestücken das Regal in diesen 15 Tagen täglich von 12 bis 13.30 Uhr“, sagt Albrecht Waschau. Zeige sich, dass die Nachfrage höher oder niedriger sei, werde man bei der Portionenzahl nachjustieren. Ehrenamtliche werden wie bei den früheren Vesperkirchen eingebunden, wenn auch in geringerem Umfang. Auf der Homepage werde dafür demnächst das Anmeldeportal freigeschaltet. 
Ein Team von Organisatoren und Ehrenamtlichen werde die Gäste – die Suppenabholer – täglich vor der Kirche begrüßen und für einen Plausch bereit stehen, sagt Salzmann. Gespräche, auch mit Seelsorgern, sind in der Kirche möglich. Im Übrigen werde das Begleitprogramm, verglichen mit den bisherigen Vesperkirchen, reduziert sein. „Wir werden sehen, was Ende Januar, Anfang Februar möglich sein wird.“ Die Vesperkirche wolle ihr Versprechen – Nahrung für Leib und Seele zu bieten – einlösen.            ekgt