"Smart Everything" - Digitalisierung im Alltag: Nützlich oder gefährlich?

Gut besuchtes Frauenfrühstück im Gemeindezentrum mit Referentin Rena Tangens vom Verein Digitalcourage e.V. Bielefeld

Schon seit zwölf Jahren organisieren die Frauen vom Vorbereitungskreis zwei Frauenfrühstücke im Jahr in Ummeln (vorne, v. l. Annette Kleine und Rena Tangens). Fotos: CG

Die Datenkrake ist seit langem ein Erkennungszeichen des Vereins Digitalcourage e.V. Bielefeld. Für Demonstrationen gibt es die Krake auch mehrere Meter groß, so Rena Tangens. Foto: CG

UMMELN – Ein feiner Kaffeeduft empfing die Frauen im Gemeindehaus Ummeln an der Queller Straße. Ein reichhaltiges Frühstück und gute Gespräche an den Tischen stimmten die Frauen auf ein brisantes und sehr aktuelles Themenfeld ein. „Smart Everything“, zu dieser Überschrift begrüßte Pastorin Annette Kleine die Referentin Rena Tangens vom Verein Digitalcourage e.V. Bielefeld. Sie wies die Frauen sehr eindringlich daraufhin, was Geräte wie Smartphone, Sprachassistenten wie „Alexa“ oder Smart-TV wirklich können und warnte vor sorglosem Umgang. „Wir denken, das Netz ist gratis, doch bezahlen alle Nutzer mit teils sehr intimen Daten“, ging Rena Tangens anschaulich ins Detail.

Vieles, was ein Smartphone ständig im Hintergrund registriert, kann die Nutzerinnen und Nutzer gläsern werden lassen. Ein Beispiel beschrieb Tangens aus Norwegen: Datenschützer haben dort eine weit verbreitete Fitness-App untersucht und fanden heraus, dass ständig Daten an circa 60 Unternehmen weltweit weiter geleitet wurden. Gerade Ortsbezüge im neuen „Location-data“ ließen sich nur sehr schwer verschlüsseln. Wer denkt, dass seine Fitness-App lediglich Schritte für ihn oder sie zählt, sei naiv, so die Expertin: „Stellen Sie sich vor, was Krankenkassen oder Versicherungen aus solchen Datenprofilen herauslesen können“.

Was den PC im Haus anlangt, riet Rena Tangens sehr davon ab, die weit verbreiteten Google-Dienste zu nutzen. Schon lange beeinflusse nicht nur die immer effektivere Werbung wie etwa auch bei Facebook die Menschen. Auch beeinflusste Wahlergebnisse wie der Brexit oder der Wahlerfolg Trumps machten auf manipulative und erfolgreiche Beeinflussung aufmerksam. „Aufregung erzeugt Aufmerksamkeit“, das werde zunehmend zum meinungsbildenden Grundsatz, so Tangens. Dagegen müsse allen klar sein, dass gute Medien bezahlt werden müssen. Am allgemeinen Zeitungssterben lasse sich deutlich ablesen, wie der Markt nicht mehr funktioniere weil Google, Facebook und Co. immer mehr Nutzerinnen und Nutzer an sich zögen.

Auf Nachfrage bestätigten mehrere Frauen, schon einen Sprachassistenten im Haus zu haben. „Alexa hört ziemlich gut“, zeigte Rena Tangens auf, dass damit eine ständige Abhörsituation mit Anschluss ans Internet bestehe. Dies sei eine gefährliche Bequemlichkeit, die zudem echten Kontakt zwischen Menschen überflüssig mache. Außerdem sorgten alle, die mehr und mehr im Netz einkauften, durch ihr Kaufverhalten für das massive Einzelhandelssterben und damit für eine Verödung der Innenstädte.

Die gerade angesagten Smart-TV-Geräte überwachen rund um die Uhr in Bild und Ton, so Tangens. „Smarte Geräte sind nicht per se hilfreich“, warb Rena Tangens leidenschaftlich für echte zwischenmenschliche Kommunikation und Begegnung. „Wir brauchen Anlässe, um auf die Straße zu gehen“, rief die Referentin dazu auf, sich als Nutzerin zu emanzipieren und deutlich zu sagen, was man will und was nicht. „Technologie kommt nicht einfach über uns“, sie sei Menschengemacht und damit auch vom Menschen zu ändern. „Widerstand gegen große „Datenkraken“ ist nicht sinnlos“, warb Tangens für die Grundsätze des Vereins Digitalcourage, der sich in den 1980er Jahren gegründet hat, anfangs als Protest gegen die Volkszählung. Weit über die Region OWL hinaus ist der Verein bekannt geworden mit seinen jährlichen Verleihungen des „Big Brother-Awards“. Die nächste Verleihung ist am Samstag, 8. Juni im Stadttheater Bielefeld.

Angeregt durch die von Rena Tangens vorgetragenen Thesen entspann sich ein lebhaftes und intensives Gespräch mit den teils aufgerüttelten oder nachdenklichen Frauen über einen möglichst selbstbestimmten Umgang mit allem Smarten.         (CG)