Thesenanschlag live

Johannes-Kirchengemeinde Quelle-Brock macht Reformation erlebbar

Martin Luther (li: Carsten Ledwa) macht dem Ablassprediger (Matthias Dreier) einen Strich durch die Rechnung. Foto: Kerstin Jacobsen

Quelle. Mit dem Glockenschlag verstummt Punkt sieben Uhr abends das Gemurmel vor der Queller Johanneskirche. Finster blickt der Ablassprediger in die versammelte Menge. „Heute und nur heute könnt ihr bei mir den Ablass kaufen für alle eure Sünden“, ruft der Dominikaner. „Hast du einen Taler für Christus?“, herrscht er eine Frau an, die zu ihm aufblickt, dann einen Mann: „Hast Du einen Taler für dein Seelenheil?“

Doch ehe Münzen im Kasten klingen, tritt ihm ein Augustinermönch wortgewaltig entgegen. Mit lautem Hammerschlag nagelt Martin Luther (Pfarrer Carsten Ledwa) seine Thesen an die Kirchentür, der Ablassprediger (Pfarrer Matthias Dreier) verschwindet mit wehender Kutte. „Und nun lasst uns Gottesdienst feiern, wie es evangelisch ist“, lädt „Luther“ in die Kirche ein.

Seit 1996 gibt es in der Johannesgemeinde jeden 31. Oktober „Reformation zum Anfassen“. „Immer vor dem Reformationsgottesdienst spielen wir eine von sieben wichtigen Szenen aus dem Leben Luthers“, erläutert Pfarrer Dreier. Zuvor gibt Kirchmeister Peter Bölling eine knappe historische Einführung. Der 31. Oktober 1517, an dem Luther seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hat, wird bis heute als Geburtstag der Reformation begangen.

Mittlerweile sind die Pfarrer schon beim dritten Durchlauf und haben noch sichtlich Spaß an der Sache. Der Erfolg gibt ihnen Recht, trotz Schmuddelwetters ist die Kirche gut gefüllt. „Mit dem Anspiel wird die Reformation lebendig, das finde ich super“, lobt eine Frau. Ihrer Nachbarin schaudert es noch, so unheimlich war der Ablassprediger.

Gepredigt hat am Reformationsabend jedoch nicht „Martin Luther“. Superintendent Christian Heine-Göttelmann legte dessen bekanntes Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ aus. Dabei ging er auch auf Halloween ein, das dem protestantischen Feiertag zunehmend Konkurrenz mache. Der Mensch bleibe hinsichtlich seiner Gerechtigkeit vor Gott immer ein scheiternder. Luthers befreiende Erkenntnis, dass Gott selbst den Menschen im Glauben gerecht macht, gelte bis heute. „Davon braucht es heilsame Geschichten, Gottes Zuspruch, Worte, die wie Taten für uns sind.“

kj