Vom „einigen Trost“

Professor Dr. Rolf Wischnath sprach über die Aktualität des Heidelberger Katechismus

Dr. Rolf Wischnath. Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. „Der Heidelberger Katechismus ist geistliches Schwarzbrot“, so Professor Dr. Rolf Wischnath über „das nach der Bibel seit dem 16. Jahrhundert am meisten in der Welt verbreitete evangelische Lesebuch“. Die reformierte Bekenntnisschrift ist vor 450 Jahren erstmals erschienen. Grund genug für den Förderverein Historische Kirchen im Stadtzentrum Gütersloh, Wischnath um ein „zeitgemäßes Wort zum Heidelberger“ zu bitten. Am vergangenen Donnerstagabend sprach der reformierte Theologe unter der Überschrift „Wahrheit – Versöhnung – Befreiung“ vor knapp 40 Gästen in der Apostelkirche.

 

„Worauf letztlich verlässt du dich?“ – so lasse sich zeitgemäß die bekannte Frage 31 „Was ist dein einiger Trost im Leben und im Serben?“ stellen. Wischnath wandte sich gegen die Formulierung „einziger Trost“ - auch für Christenmenschen gebe es andere Möglichkeiten des Trostes. Im „einigen Trost“ jedoch stimmten sie überein, er verbinde sie zur Gemeinde Jesu Christi. Dass die Auszüge des Heidelberger Katechismus im aktuellen Evangelischen Gesangbuch zudem ohne Bibelverweise abgedruckt wurden, ist für Wischnath „ein schwerer theologischer und konfessioneller Betriebsunfall“. Denn der Heidelberger befehle, „zunächst und vor allem in die Bibel zu schauen“. Kern der Bekenntnisschrift sei Christus als die Wahrheit und Ursprung des Glaubens. Der Heidelberger ziele darauf, als „schriftgewordene Nachhilfe des heiligen Geistes“ zu diesem Glauben zu helfen. Wischnath riet einem Publikum, eine Weile den Tag jeweils mit der Frage 1 zu beginnen und zu schließen, um seine seelsorgliche Hilfe selbst zu erfahren.

 

Die aktuelle Bedeutung Jesu Christi entdeckte Wischnath in der „Dreiämterlehre“, die der Antwort auf Frage 31 zugrunde liege. Als „Prophet und Lehrer“ sage Jesus Christus den Menschen bis heute die Wahrheit. Als „Priester“ versöhne er sie mit Gott durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung. Und als „König“ bringe er schon heute Befreiung. Wischnah strich die alttestamentlich-jüdische Grundlage der Dreiämterlehre heraus und sagte mit Blick auf die 75. Wiederkehr der Reichspogromnacht: „Hätte man auch in der deutschen Christenheit stärker bedacht, dass es ohne die Sprache Israels und die Vorgaben des Alten Testaments keine Wahrheitserkenntnis von der Person und Bedeutung Jesu Christi gibt, wäre ihre Anfälligkeit für den Antijudaismus vermutlich geringer ausgefallen.“ Die Dreiämterlehre bedinge bis heute „den Ausschluss allen offenen und heimlichen Antijudaismus im Glauben, Lehre und Leben.“

 

Distanzieren müsse man sich heute aber von der „größten Wunde“ des Heidelberger: „der Opfertheorie, nach der ein durch die Sünden der Menschen beleidigter und zürnender Gott wieder zufriedengestellt werden muss und er sich nur durch das Opfer seines eigenen Sohnes besänftigen lässt“. Diese unbiblische Vorstellung wies Wischnath zurück: Nicht Gott werde versöhnt, „sondern der Mensch, du und ich, das menschliche Geschlecht.“

 

Zwei Konsequenzen zog Wischnath aus dieser Versöhnungslehre, die den Heidelberger Katechismus übersteigen. Erstens: Geht es Christus um die Befreiung aller Menschen und der Welt, sei auch die christliche Gemeinde für Friede, Gerechtigkeit und die Befreiung der Schöpfung verantwortlich. Und zweitens könne sie dann auch „die Geltung des Heils nicht von der Annahme und Zueignung des christlichen Glaubens abhängig machen.“ Damit sei Diskriminierung Andersgläubiger oder Verachtung anderer Religionen ausgeschlossen. Mehr noch: Wenn Christen die Botschaft Jesu Christi ernst nehmen, werden sie „dafür eintreten, dass Menschen unterschiedlicher Religionen in Achtung voreinander und im Frieden miteinander leben können.“

kj