Weihnachtsgeschichte ohne Kitsch

Orientalischer Advent lockt 2000 Besucher ins Bibeldorf Rietberg

Auch Wiedenbrücker Kommunion-kinder machten sich mit "Maria und Joseph" auf den Weg nach Bethlehem. Foto: Kerstin Jacobsen

Rietberg. Ruppig geht es zu an der römischen Wachstation. „Männer rechts, Frauen links!“, kommandiert ein Soldat barsch. Als ein Mann zu widersprechen wagt, zückt er drohend sein Schwert: „Hast du nicht gehört? Ruhe jetzt!“ Die Kommunionkinder und ihre Eltern bekommen eine Ahnung davon, wie es Joseph und der hochschwangeren Maria zumute gewesen sein könnte – damals, auf der Suche nach einer Unterkunft.

Die Gruppe aus Wiedenbrück war die erste von 40, die sich am vergangenen Wochenende im Bibeldorf Rietberg auf den Weg nach Bethlehem machte. Zum siebten Mal hatte das Bibeldorf zum orientalischen Advent geladen, rund 2000 Menschen kamen. Bei den Führungen mit Anspiel machten die ehrenamtlichen Laiendarsteller deutlich: Die Weihnachtsgeschichte ist kein romantisches Märchen aus ferner Zeit. „Die haben da eine neue Mauer gebaut, acht Meter hoch, da kommt keiner durch“, erzählt Joseph. „Wie kommen die Bauern denn jetzt zu ihren Feldern? Das ist doch unser Land, was sollen wir denn jetzt machen? Einen Aufstand, eine Intifada?“ Und schon verschwimmen die Grenzen zwischen damals und heute.


Gebannt erleben Kleine wie Große die verzweifelte Suche des Paares. „Soll unser Kind etwa auf der Straße geboren werden?“ „Nein!“, rufen die Kinder und sind erleichtert, als Maria und Joseph im Stall verschwinden. Wie es mit Jesus und seinen Jüngern weiterging, erfahren sie in der Synagoge. Und auch, dass die Evangelische Kirchengemeinde Rietberg in den Herbstferien 2015 eine Fahrt ins Heilige Land anbietet.


In den Arkadengängen rund um die Karawanserei lockte im Licht zahlloser Kerzen und Fackeln der orientalische Basar. Hier gab es vieles, das auf herkömmlichen Weihnachtsmärkten nicht zu finden ist: Olivenholzschnitzereien aus Bethlehem, Keramiken aus Hebron und Wein aus dem Westjordanland sowie handgebundene Bücher aus Leder, Wachsschreibtafeln wie zur Zeit Jesu und Weihnachtskarten aus der nachgebauten Gutenberg-Druckpresse. Duftende Öle und Salben, Kerzen, originelle Näharbeiten und von Hand beschriftete Weihnachtskugeln fanden ebenso ihre Liebhaber. Auch das kulinarische Angebot bediente mit Waffeln und Lahmacun verschiedene Geschmäcker.


Am dritten Adventswochenende (13. und 14. Dezember) öffnet das Bibeldorf noch einmal jeweils von 16 bis 21 Uhr seine Pforten. Der Eintritt beträgt zwei Euro, Kinder unter 140 cm zahlen nichts. Wer an einer der viertelstündlich stattfindenden Führungen teilnehmen will, sollte sich unbedingt unter Telefon: (05244) 974974 anmelden. Die Teilnahme kostet fünf Euro pro Person.

kj