„Wir wollen wachsam sein“

Gedenkfeier zur 75. Wiederkehr der Reichspogromnacht in Gütersloh

Etliche Gütersloher gedachten mit Kerzen der Opfer der Reichspogromnacht. Foto: Kerstin Jacobsen

Gütersloh. Die Zahlen lassen noch heute frösteln: „Mehr als 1200 Synagogen und Gebetshäuser wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Deutschland niedergebrannt. Über 7500 jüdische Geschäfte wurden zerstört, Hunderte Privatwohnungen verwüstet.“ Am Gütersloher Synagogen-Gedenkstein erinnerte Bürgermeisterin Maria Unger an die Reichspogromnacht erinnert, die vor 75 Jahren den Übergang von der Diskriminierung der Juden zu ihrer systematischen Verfolgung und Ermordung kennzeichnete. Auf Einladung des Christenrats Gütersloh waren gut 70 Gütersloher an der Erinnerungsstätte vor dem Evangelisch Stiftischen Gymnasium zusammengekommen.

 

„Dies geschah auch bei uns!“, so Pfarrer Markus Korsus. „Daher wollen wir keinen Zweifel daran lassen, dass das Eintreten für die Würde eines jeden Menschen Ausdruck unseres Glaubens ist.“ Maria Unger betonte, dass unter den Tätern von damals auch Gütersloher gewesen seien, „nicht nur fremde SS- und SA-Leute.“ Ähnliches dürfe nie wieder geschehen. Unger erinnerte an den Brandanschlag von Solingen vor 20 Jahren, die NSU-Mordserie und die ausländerfeindliche Demonstration gegen die Unterbringung syrischer Flüchtlinge. „Erinnern ist eine Seite, aktives Handeln gegen Rassismus die andere: Wir gedenken der Opfer und verneigen uns vor ihnen, wir erinnern uns und wollen wachsam sein.“

 

Aus Rücksicht auf den jüdischen Sabbat fand die Gedenkfeier erst am Sonntag, 10. November statt. Etliche der Anwesenden zündeten Kerzen an. Rund 60 Personen suchten im Anschluss mit Stadtarchivar Stephan Grimm einige der 44 Stolpersteine auf, die daran erinnern, wo einst jüdische Mitbürger arbeiteten und lebten. Eine von ihnen war Klara Herzberg, geborene Levy, die 1941. In der In der Pogromnacht wurde die Einrichtung ihres Hauses in der Königstraße 12 zerstört, in dem sich ein Eisen- und Haushaltswarengeschäft befand. Mit ihren Verwandten wurde Klara Herzberg in das „Reichsjudenghetto“ nach Riga-Jungfernhof deportiert, wo sie Ende 1943 umkam.

Pfarrer i.R. Dr. Helmut Gatzen hat die Geschehnisse in seinem Buch „Der Herzberg-Bericht“ aufgearbeitet, das im Buchhandel erhältlich ist.

kj