Kirchenkreis. „In Gütersloh ist man dem Himmel ein Stück näher“, findet Martin Schultheiß. „Das muss am Altersdurchschnitt liegen.“ „1184 wurde das Dorf erstmals erwähnt“ - Fabian Vogt lässt den Blick durch die voll besetzte Matthäuskirche schweifen – „heute sind lauter Gründungsmitglieder hier.“
Zum zweiten Mal war das Frankfurter Duo Camillo beim Inspirations-Neujahrskonzert des Evangelischen Kirchenkreises zu Gast. Das war schon Wochen vorher ausverkauft. Mit ihrem christlichen Musikkabarett – einer irrwitzigen Mischung aus Gesang und Wortakrobatik - mischten die beiden ihr Publikum auf. Gut 200 Gäste amüsierten sich köstlich über die Respektlosigkeiten, den das glänzend aufgelegte Duo gelegentlich durch eine Prise Tiefgang würzte.
„Der Gütersloher braucht zwar keine Möbel, aber er baut ein Möbelhaus, nur um Bielefeld zu ärgern.“ Schultheiß und Vogt waren bestens informiert über ostwestfälische Verhältnisse. Mit Wonne zogen der kreative Teilzeitpfarrer und der promovierte Physiker einander und auch die Kirche durch den Kakao. So witzelten sie über skurrile Momente im Gottesdienst, wenn eine Zahnprothese im Abendmahlskelch schwimmt oder der Talar des Pfarrers an der Osterkerze Flammen fängt.
Auch Verbesserungsvorschläge hatten die beiden parat: Vogt warb für ein Prämiensystem: „Wer zwei neue Kirchenmitglieder wirbt, darf selbst austreten!“ Schultheiß plädierte für „All you can eat“ beim Abendmahl. Wie die Kirchensprache moderner werden kann, erläuterten sie an der Schöpfungsgeschichte. Da wird Gott zum Systemadministrator, der die Welt (leider nur eine Beta-Version) nach dem Sytemabsturz „rebootet“. Das gehe ebenso mit dem neuen Testament: Auf Jesus - die externe Festplatte Gottes – können die Menschen ihre Schuld laden. „Da wird sie dann gelöscht. Nur blöd, wenn du ein update hast.“
Allgemeine gesellschaftspolitische Themen nahmen die Hessen ebenso auf die Schippe. Sie besangen den Klimawandel („Wir wollen keine Kälte mehr, wir wollen nur noch eines: Gütersloh am Mittelmeer!“) und sinnierten über Klassentreffen, Computerspiele und den ewigen Kampf der Geschlechter („Frauen kommen von der Venus, Männer essen Mars.“). Dabei nahmen sie immer wieder Zwischenrufe aus dem Publikum auf. Aus dessen Wünschen dichteten die Barden zum Ende des zweieinhalbstündigen Abends ein spezielles „Lied für Gütersloh“: Auf Zuruf bastelten sie aus Begriffen wie „Fußball“, „Seitensprung“, „Feuerwehr“, „Lohnsteuerjahresausgleich“, „Bratwurst“ und „Unendlichkeit“ einen Reggae-Song, der für Begeisterungsstürme sorgte.
Inmitten spritziger Wortgefechte schlugen die Kabarettisten auch leisere Töne an, etwa bei der Ballade vom Adler oder dem Lied „Gott schreibt auf krummen Zeilen gerade“. „Wir brauchen fitte Christen, die es weitersagen: Die Botschaft des Miteinanders ist wichtiger als die des Gegeneinanders, wie Wirtschaft und Politik uns glauben machen wollen!“ Und: „Wir wollen Gottesdienste, wo die Seele fliegen lernt.“ Da wurden sie – zumindest kurzfristig - ganz ernst.
kj