Wünsche fürs Leben und Sterben

Beeindruckendes Projekt in der Gütersloher Innenstadt

Jeden Tag wurden die Tafeln mit Wünschen, Visionen und Fragen abfotografiert, auch um die Inhalte zu sichern. „Bevor ich sterbe, will ich gelebt haben“, war eine häufig geschrieben Hoffnung. (Foto: awd)

GÜTERSLOH – Ein großes Bürgerprojekt hat vier Wochen lang auf dem Platz vor der Martin-Luther-Kirche in Gütersloh viele Menschen angezogen. „Bevor ich sterbe – before I die“. Es war ein Teil des Jubiläumsprogrammes des Hospiz- und Palliativ-Vereins Gütersloh, der jetzt seit 25 Jahren besteht. Außerdem war die Kirchengemeinde Gütersloh an der Aktion beteiligt.

Sie geht zurück auf die Initiative von Candy Chung. Sie wollte sich mit ihrer Kunstaktion mit ihrer Trauer um einen nahen, geliebten Menschen auseinandersetzen. Dazu hat sie in ihrer Nachbarschaft in New Orleans ein verlassenes Haus in eine riesige Tafel verwandelt, auf der die Menschen den Satz: „Bevor ich sterbe, möchte ich ...“ vervollständigen konnten. Sie verteilte Kreide und war überrascht von der Resonanz. Die Antworten ihrer Nachbarn – überraschend, ergreifend, lustig – wurden zu einem unerwarteten Spiegel der Gemeinschaft. Die Idee verbreitete sich schnell. In mehr als 70 Ländern und Staaten wie Irland, Spanien, Thailand, Südafrika, Australien, Peru, Georgien, Israel und dem Iran haben seitdem ähnliche Aktionen stattgefunden.

Auch in Gütersloh waren die Initiatoren überrascht von der Resonanz. Während der Dauer des Projektes schrieben viele Passanten ihre letzten Wünsche, Ideen und Fragen auf die Schiefertafeln, die von der Arbeitslosenselbsthilfe gefertigt wurden. Das Geschriebene wurde jeden Tag abfotografiert und in der Martin-Luther-Kirche ausgestellt. So konnten immer wieder neue Wünsche aufgeschrieben und gesammelt und als Ausstellung in der Kirche angesehen werden.

„Mit der Aktion wollten wir Menschen die Möglichkeit geben, über Fragen des Lebens und Sterbens nachzudenken“, sagte Pfarrer Andreas Walczak-Detert von der Kirchengemeinde. Man wollte auch jene erreichen, die sich vielleicht sonst nicht mit dem Thema beschäftigen. Da die Aktion parallel zum Gütersloher Frühling lief, habe man auch viele Menschen erreicht, die deshalb in der Stadt waren.

Damit beschreibt der Pfarrer eine Erfahrung, die Veranstalter weltweit gemacht haben. Weil sie so überrascht von der Menge der Antworten auf ihrer Tafel war, hat Candy Chung eine Internetseite eingerichtet. Innerhalt kurzer Zeit meldeten sich Menschen aus aller Welt bei ihr und fragten, ob sie die Aktion in ihrer Stadt wiederholen dürften. Inzwischen gibt es mehr als 500 permanente Tafeln in 70 Ländern und in 30 Sprachen. Daraus ist sogar ein Buch entstanden, das die Entstehungsgeschichte erzählt und Träume, Visionen und Wünsche von Menschen weltweit auflistet.

In Deutschland haben mehrere Städte das Projekt bereits umgesetzt: Berlin, Bremen, Erfurt, Aachen oder Mönchengladbach. Zusammen mit Elisabeth Schultheiss-Kaiser vom Hospizverein hat Pfarrer Walczak-Detert es für Gütersloh umgesetzt. (fra)